Che Guevara ist zum öffentlichen Besitz von Antiimperialisten, Antiamerikanern, Friedensbewegten, Querfrontschwurblern und rechtsradikalen Völkerbefreiern geworden.
Bis vor kurzem hatte ich einen Nachbarn, der ein wahrer Che Guevara-Fan war. Er besaß eine ganze Kollektion von Che Guevara-Hemden und T-Shirts: Auf allen prangte das bekannte Portrait seines Helden, mal größer, mal kleiner, in unterschiedlichen Farben. Aber der Mann war auch für Frieden: an seinem Fenster gab ein kleines Plakat zu bedenken, dass es keinen Weg zum Frieden gebe, sondern der Frieden selbst der Weg sei. Auch eine Friedenstaube war darauf zu sehen. Vielleicht ist dem Mann der Widerspruch zwischen der hingebungsvollen Feier des bekanntesten modernen Guerillastrategen und der unbedingten Friedensliebe nicht aufgefallen, die sich in dem Plakat ausdrückte. Vielleicht war ihm dieser Widerspruch kein Problem, schließlich hat die Friedensbewegung schon immer mit einem Che Guevara-Spruch geworben: "Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker."
Auf jeden Fall ist mein Nachbar mit seiner Che Guevara-Verehrung nicht
allein. Schaut man sich um, dann entdeckt man Che nicht nur bei den üblichen
Verdächtigen - sein Portrait hat längst den engen Kreis des Polit-Merchandisings
verlassen, und kann nun buchstäblich überall vorkommen: auf Schuhen,
Che Guevara ist in. Während bei Bands wie
Aber zweifellos erschöpft sich die neuerliche Popularität Che Guevaras nicht
in dieser Funktion als merkantile Mehrzweckikone. Es geht natürlich um Amerika,
genauer gesagt um die USA, und Che eignet sich mit seiner These, dort schlage
"das Herz der Bestie", wie kein anderer als Projektionsfläche für einen banalen
Antiamerikanismus, der in den letzten Jahren erheblich an Schwung
Wenn man die von Che Guevara vertretenen Ideen auf diese
antiamerikanische Komponente herunter bricht, sind sie auch für
"Antiimperialisten" brauchbar, die noch heute an den "nationalen
Befreiungskampf" der Palästinenser glauben
Das ist keine bloße Theorie: Nachdem das Palästinensertuch als linkes Ideologietextil schon lange bei der Rechten angekommen ist, sind neuerdings auch stramme Nazikader mit Che Guevara-T-Shirt auf den entsprechenden Veranstaltungen gesichtet worden. Das macht aus Che Guevara noch lange keinen verkappten Faschisten, aber wer unbedingt will, kann aus seinen Ideen einen Sud herstellen, der auch Strategen à la Osama Bin Laden behagen würde. Da ist nicht nur die unbedingte Feindschaft gegen die USA, für die Che Guevara ja durchaus Gründe hatte, die sich aber allzu leicht reaktionär wenden lässt.
Auch seine so genannte
Aber zunächst zählt nur der gemeinsame Feind, das
Weltübel schlechthin, das bequem und denkfaul in den USA verortet wird, als habe
sich seit den Tagen des Vietnamkriegs nichts geändert. Und dieser unreflektierte
Antiamerikanismus ist auch die Schnittstelle zwischen all den Szenen und
Milieus, in denen die aktuelle Verehrung Che Guevaras grassiert: von den
Mode-Guevaristen über die Friedensbewegten und die Spätautonomen bis zu den
Sich inhaltlich mit Che Guevara auseinanderzusetzen schadet da nur; ihn gar in seiner Widersprüchlichkeit und seinem Scheitern wahrzunehmen, wäre vollends kontraproduktiv - zwei oder drei seiner Sprüche und vor allem das verbrauchte Portrait reichen völlig.
Neulich hatte ich die Idee, die Fans an einem Platz
zusammenbringen, mit all ihren Demo-Fahnen, T-Shirts, Baseballkappen,
Handtaschen, Buttons und dem ganzen anderen Kram. Einen Che Guevara-Darsteller
müsste man vor ihnen auftreten lassen - vielleicht könnte ja Norbert Hähnel den
Revolutionsheino für sie
Er könnte Guevaras UNO-Rede von 1964 noch einmal
Ändern würde sich nichts. Che Guevara ist zu einem derart verbrieften öffentlichen Besitz geworden, wie Jesus dient er so nachhaltig einem überwältigenden Bedürfnis nach Glorifikation und Projektion, dass keine Form der Aufklärung mehr etwas daran ändern wird. Aber genau so wenig, wie der Irak Vietnam ist, ist das verbrauchte Portrait des Revolutionärs aus Argentinien heute ein Symbol für emanzipatorische Politik. Zeit für den Abschied von Che.
Links
[1] http://concord.antville.org/stories/86722
[2]
http://concord.antville.org/stories/500045
[3]
http://www.cheap-poster.com/Music/Rock-Roll/Rage-Against-the-Machine/PID-391044/Rage-Against-The-Machine-Che-Guevara
[4]
http://www.trend.partisan.net/trd0499/t080499.html
[5]
http://amsterdam.nettime.org/Lists-Archives/rohrpost-0009/msg00057.html
[6]
http://www.jungle-world.com/seiten/2003/40/1774.php
[7]
http://de.indymedia.org//2002/02/16431.shtml
[8]
http://www.lateinamerika-studien.at/content/lernpfade/pfad1/pfad1-220.html
[9]
http://trend.partisan.net/trd1103/t051103.html
[10]
http://www2.dietotenhosen.de/fdh_heino.htm
[11]
http://www.sozialistische-klassiker.org/Che/Che02.html
[12]
http://chehasta.narod.ru/guerillaeng.htm
Telepolis
Artikel-URL: http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/mein/16197/1.html